Austausch mit bayerischer Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach

Die bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach hat Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ getroffen. Im Würzburger Caritashaus tauschte sich die Politikerin mit ihnen am Montag, 11. März 2024, zu Herausforderungen und Lösungsansätzen im Pflegebereich aus.

Mit einem herzlichen „Grüß Gott“ hieß Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Caritasverbands für die Diözese Würzburg (DiCV), Bayerns Ministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention in der Bündnisrunde willkommen. Der Chef der unterfränkischen Caritas brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass Judith Gerlach gekommen war, um den Pflegeprofis zuzuhören. Er hoffe, dass sie die Botschaft der Bündnisvertreterinnen und -vertreter mitnehmen werde, um auf politischer Ebene für eine weitere Verbesserung der Pflege zu sorgen, so Bieber.

Die Ministerin machte sich im anschließenden Gespräch mit dem Bündnis für bessere Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen stark, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Sie sagte: „Die Betreuung und Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen ist eines der drängendsten Themen des 21. Jahrhunderts. Der Pflegebereich leidet schon heute enorm unter dem Fachkräftemangel. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es immer wichtiger, Menschen für die Pflege zu gewinnen und auch dauerhaft im Beruf zu halten. Zur Bewältigung dieser Herausforderung müssen alle Akteure ihren Teil beitragen.“

© Anna-Lena Herbert | Caritas | Judith Gerlach (Fünfte von rechts), Bayerns Ministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, traf Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“: (von links) Domkapitular Clemens Bieber (Vorsitzender Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V., DiCV), Sonja Schwab (DiCV-Abteilungsleiterin Soziale Dienste), Silke Birklein (DiCV-Referentin Gesundheit, Alter und Inklusion), Eva Pscheidl (Fachbereichsleitung Pflege und Betreuung Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg), Walter Herberth (Oberpflegamtsdirektor und Leiter der Stiftung Juliusspital Würzburg), Karsten Eck (Krankenhausdirektor König-Ludwig-Haus Würzburg), Annette Noffz (Leitende Direktorin Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist Würzburg), Johannes Spielmann (Vorstand Blindeninstitutsstiftung Würzburg) und Georg Sperrle (Geschäftsführer Caritas-Einrichtungen gGmbH).

„Perspektiven aus der Praxis

In einer kurzen Vorstellungsrunde betonte Gerlach zunächst ihre eigene Motivation für das Thema Pflege, wobei künftig verstärkt auch Prävention eine Rolle spielen müsse. Sie machte deutlich, dass es keine schnellen Lösungen geben könne. Es gehe darum ein „konstruktives Gesamtpaket“ zu entwickeln. Die Politikerin erläuterte: „Es gibt viele Baustellen, bei denen vor allem auch Einrichtungsträger in der Pflicht sind. Ich denke vor allem an verlässliche Arbeitszeiten und eine gute Bezahlung, aber auch weniger Bürokratie etwa durch mehr Digitalisierung. Die Staatsregierung unterstützt diese Themen wo sie kann, zum Beispiel mit dem Abbau von Bürokratie durch ein Modellprojekt in Krankenhäusern und durch ein Modellprojekt für den Einsatz von Springerkräften in der Langzeitpflege. Auch fördern wir derzeit ein Projekt zur Etablierung von innovativen, partizipativ erstellten Dienstplänen.“ Sie selbst habe vor wenigen Wochen ein Pflegepraktikum absolviert, erzählte Gerlach. Das Treffen mit dem Bündnis sei für sie eine weitere Möglichkeit „Perspektiven aus der Praxis“ mitzunehmen, wofür sie dankbar sei.

Im Anschluss gaben die drei Initiatoren des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ der Ministerin einen Überblick über den nach der ersten Coronawelle 2020 entstandenen Zusammenschluss und seine Ziele. Wie Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor und Leiter der Stiftung Juliusspital Würzburg, erläuterte, gehören dem Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ rund 20 Organisationen an, vorrangig aus dem Würzburger Raum. Nachdem man 2020 und 2021 etwa ein Jahr lang mit stillen Demonstrationen auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht habe, habe man die Demos mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen. Seither setze man sich vor allem durch Gesprächsführung weiter für bessere Bedingungen in der Pflege ein. Eine Forderung sei etwa wieder den Menschen, und nicht die Ökonomie, in den Mittelpunkt zu stellen.

Kampagne „Ohne uns wird es zappenduster“

„Mit der Zeit haben sich auch Frustrationen eingeschlichen“, gestand der Vorstand der Blindeninstitutsstiftung Würzburg, Johannes Spielmann. Man müsse sich fragen lassen, was sich verändert habe. Als Bündnis wolle man vor allem auch die Gesellschaft ansprechen, habe sich dabei aber gegen weitere Demonstrationen entschieden. Vor Kurzem hat das Bündnis daher die Kampagne „Ohne uns wird es zappenduster“ gestartet. Sie wird vor allem online betrieben – etwa auf den Social-Media-Kanälen der beteiligten Organisationen –, macht aber auch mit großflächigen Plakaten im Würzburger Stadtbild auf den Pflegenotstand aufmerksam.

Annette Noffz, Direktorin der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist Würzburg, und die dritte Initiatorin in der Runde betonte, dass es ihrer Meinung nach zentral sei, das Bild der Pflege in der Öffentlichkeit zu verbessern und das Misstrauen abzubauen, das dem Pflegebereich gegenüber oft herrsche. So sei man in einem Pflegeheim durchaus ohne die seit einer Weile vorgeschriebene Präqualifizierung fähig, die korrekten Pflegehilfsmittel für Bewohnerinnen und Bewohner zu beschaffen, meinte Noffz. Sonja Schwab, Leiterin der Abteilung Soziale Dienste im DiCV, erläuterte, dass die vorgeschriebenen externen Kontrollen von Pflegeheimen mitunter als „Überfallkommando“ wahrgenommen würden.

Fachkräftemangel

In diesem Zusammenhang machte der Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, Georg Sperrle, darauf aufmerksam, dass die starke Bürokratisierung in Deutschland auch Auswirkungen auf die Gewinnung internationaler Pflegefachkräfte habe. Sie sei mit hohen Hürden verbunden. Dabei stelle der zunehmende Fachkräftemangel die Häuser vor immer größere Herausforderungen. So stehen, Sperrle zufolge, aktuell in einer der von ihm geführten Einrichtungen von eigentlich 94 Pflegeplätzen 18 nicht zur Verfügung.

Laut DiCV-Vorsitzendem Bieber steigt der Bedarf an Pflegeplätzen derzeit massiv, während gleichzeitig mehr und mehr Plätze nicht belegt werden können, weil Fachkräfte – selbst in städtischen Gebieten – fehlen. Dahinter stünden dann auch immer Einzelschicksale, gab Geschäftsführer Sperrle zu bedenken. Er thematisierte zudem den Punkt Bezahlbarkeit der Pflege und erläuterte, dass die gestiegenen Baukosten viele Einrichtungen vor Probleme stellten. 

© Anna-Lena Herbert | Caritas | Der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbands, Domkapitular Clemens Bieber, überreichte Staatsministerin Judith Gerlach ein Bronzebildnis des Künstlers Egino Weinert.

Dankbar für Themenzurufe

Während des Treffens machte sich Ministerin Gerlach immer wieder Notizen und fragte zu verschiedenen Punkten aktiv nach. So diskutierte die Runde etwa über die externe Überprüfung von Einrichtungen und zu Fördermöglichkeiten. Am Ende betonte die Landespolitikerin, dass sie weiterhin für Themenzurufe dankbar sei. Im Namen des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ überreichte Domkapitular Bieber der Ministerin ein Bronzebildnis des Künstlers Egino Weinert mit dem Titel „Kranke trösten“. Bieber gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es die Ministerin in ihrem Arbeitsalltag daran erinnern möge, dass auch diejenigen, die Pflege organisieren, mitunter Pflege benötigten.

Anna-Lena Herbert | Caritas

Ohne uns wird es zappenduster!

Würzburger Aktionsbündnis startet Kampagne für bessere Rahmenbedingungen in Pflege, Behindertenhilfe und Gesundheitswesen

Seit September 2020 kämpft das Aktionsbündnis “Dienst-Tag für Menschen” für bessere Rahmenbedingungen in den „helfenden Berufen“. Bis zur Bundestagswahl 2021 haben die rund 25 gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen Organisationen aus Würzburg und ganz Bayern fast ein Jahr lang jeden Dienstag demonstriert. Sie haben viele Gespräche mit Politiker:innen und Interessensvertreter:innen geführt, sie haben konkrete Forderungen gestellt und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Aber es ist viel zu wenig passiert!

Immer mehr Kliniken schreiben rote Zahlen, Pflegedienste gehen pleite, Stationen stehen leer. Angehörige finden keine Betreuungsangebote für ihre pflegebedürftigen Eltern oder kein Wohn- und Förderangebot für ihr Kind mit Behinderung. Die Bereitschaft, als Retter:innen in der Not, als ausgebildete Pflegeprofis oder als Lebensbegleiter:innen zu arbeiten, nimmt immer weiter ab.

Neue Kampagne soll aufrütteln

Mit der neuen Kampagne „zappenduster“, die am Dienstag, 20. Februar 2024 startete, will das Bündnis erneut auf die ernste Lage aufmerksam machen und die Öffentlichkeit für den Notstand in der Pflege, dem Gesundheitswesen und der Behindertenhilfe sensibilisieren. Über Social Media sowie riesige Banner an den Fassaden der teilnehmenden Einrichtungen regen prägnante Fragen auf schwarzem Grund zum Nachdenken an. Nach vier Wochen veröffentlichen die teilnehmenden Organisationen eine neue Frage und weisen damit über mehrere Monate hinweg auf verschiedene Probleme hin.

Die erste Frage lautet: Wer holt dich ab, wenn du einen Schlaganfall hast.

Ohne uns wird es zappenduster. 
Wir in den helfenden Berufen sind rund um die Uhr für euch da und retten euch aus Notsituationen. Doch was ist, wenn es nicht mehr genug von uns gibt? Der Pflegenotstand betrifft nicht nur uns, sondern auch euch! Die Rahmenbedingungen müssen sich jetzt verbessern.

Das fordern wir

Bundesrat fordert bessere Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche

Leiharbeit in der Pflege und der Behindertenhilfe kann zu enormen Kostensteigerungen und viel Unmut bei den Beschäftigten untereinander führen. Deshalb forderte das Bündnis Dienst-Tag für Menschen in Gesprächen mit Politiker*innen immer wieder diese Praxis gesetzlich zu verbieten oder streng zu reglementieren –  unter anderem bei einem Austausch mit Bundestagsabgeordneten von CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist nun erfolgt: Auf Initiative des Freistaats Bayern forderte der Bundesrat am 2. Februar 2024 die Bundesregierung auf, „den Einsatz von Leiharbeit in der Pflege sowohl im Krankenhaus als auch in stationären und ambulanten Einrichtungen wirksam zu begrenzen“, so ist auf der Website des Bundesrates zu lesen.

Zehn Punkte für bessere Arbeitsbedingungen

„Die Bundesregierung müsse die Gleichbehandlung zwischen Stammpersonal und Leiharbeitskräften stärker als bisher gewährleisten, entgegenstehende Abreden für unzulässig erklären und Verstöße sanktionieren“, heißt es weiter. Gleichzeitig sollen die Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft verbessert werden. Dazu legte der Bundesrat ein Zehn-Punkte-Programm vor, in dem er beispielsweise die Förderung und Refinanzierung von Springerpools oder vergleichbarerer Ausfallkonzepte fordert.

Patienten- und Pflegebeauftragter der Bayerischen Staatsregierung im Juliusspital: „Die Leiharbeit in der aktuellen Anwendungsform steht scheinbar im Widerspruch zum Gesetzeszweck“

Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer MdL diskutiert mit den Initiatoren des Aktionsbündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ über deren Forderungen für bessere Bedingungen in der Pflege und verspricht sich als Patienten- und Pflegebeauftragter mit Nachdruck dafür einzusetzen.

Auf Einladung des Aktionsbündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ kam letzte Woche der Landtagsabgeordnete Professor Bauer zu einem Gespräch über Pflege in die Stiftung Juliusspital Würzburg. Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital, Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin der Stiftung Bürgerspital und Johannes Spielmann, Vorstand der Blindeninstitutsstiftung empfingen den Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, um mit ihm über ihre Forderungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die helfenden Berufe zu sprechen. Diese hatten die Initiatoren des Aktionsbündnisses nach einem Jahr stiller Demonstration im September 2021 in einem Positionspapier zusammengefasst und den politisch Verantwortlichen übergeben. 

Bessere Arbeitsbedingungen schaffen = spürbare Wertschätzung

Unter dieser Überschrift formuliert das Aktionsbündnis seine Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, höhere Zuschläge bei Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, bessere Personalschlüssel sowie die Eindämmung von Zeitarbeit.  Die 35-Stunden-Woche sieht Prof. (Univ. Lima) Dr. Bauer kurzfristig wegen des schon bestehenden Personalmangels skeptisch, kann sich diese aber langfristig – in einem Zeitraum von zehn Jahren – vorstellen. „Wir sehen vor allem die Bekanntgabe der Zielrichtung zum jetzigen Zeitpunkt als ganz wichtiges Signal“, betont Walter Herberth und begrüßt, dass der Pflegebeauftragte kurzfristig diese Verbesserungen für den „DuZ“ – Dienst zu ungünstigen Zeiten – mit der Gewährung von steuer- und sozialabgabenfreien Zuschlägen anstreben möchte.

Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt stehen, nicht die Ökonomie

Ein weiteres Problem, das zu enormen Kostensteigerungen und viel Unmut bei den Beschäftigten untereinander führe, sei die Leiharbeit. Pflegekräfte, die über Zeitarbeitsfirmen angestellt sind, verdienen mehr und haben regelmäßigere Arbeitszeiten. „Viele fest angestellte Fachkräfte wechseln deshalb in die Zeitarbeit. Die Einrichtungen leihen sie zu deutlich höheren Arbeitgeberkosten wieder aus, um Stationen nicht schließen zu müssen“, führt Johannes Spielmann aus. „Die Leiharbeit steht in der aktuellen Anwendungsform scheinbar im Widerspruch zum Gesetzeszweck und muss zurückgeführt werden“, ist auch Professor Bauer überzeugt. Dies solle am besten parallel zur aktuellen Überarbeitung des PfleWoqG (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz – Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung) geschehen. Das Gesetz solle in der noch laufenden Legislaturperiode bis Oktober 2023 neu gefasst werden. Gleichzeitig sollten alle Möglichkeiten der Eindämmung der Leiharbeit in Betracht gezogen werden.

Weniger Bürokratie – wir brauchen mehr Zeit für Menschen

Zum Bürokratieabbau will der Pflege- und Patientenbeauftragte die Administration auf die unbedingt notwendigen Angaben zur rechtssicheren Dokumentation zurückführen und sieht hierfür Ansätze im genannten PfleWoqG. Des Weiteren sieht Prof. (Univ. Lima) Dr. Bauer einen Bedarf für die Vereinheitlichung der Abrechnungssysteme der Kranken- und Pflegekassen, um den Administrationsaufwand zu reduzieren. „Damit wäre ein wesentlicher Schritt zur Verwaltungsvereinfachung geschafft“, ist Annette Noffz sicher.

Zum Abschluss bestärkt der Pflegeexperte der Bayerischen Staatsregierung die Initiatoren der „Dienst-Tag“-Bewegung, in ihrem Bemühen nicht nachzulassen und lobt das nachhaltige und intensive Engagement des Bündnisses.

Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital, Walter Herberth (l.), empfängt gemeinsam mit seinen Mitstreitern des „Dienst-Tag für Menschen“-Bündnisses, Annette Noffz, Leitende Direktorin Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist und Johannes Spielmann, Vorstand Blindeninstititutsstiftung (r.), den Patienten- und Pflegebeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer MdL (2.v.r.). (Foto: Maria Sippel)

„Dienst-Tag für Menschen“ bei
Pflegegespräch in Berlin

Karsten Eck, Krankenhausdirektor vom König-Ludwig-Haus, und Walter Herberth, Oberpflegamtsdirek-tor der Stiftung Juliusspital Würzburg, vor dem Reichstagsgebäude

Ein Jahr nach der Bundestagswahl ziehen Einrichtungen aus der Pflege, dem Gesundheitswesen und der Behindertenhilfe aus Würzburg, München, Nürnberg und Amberg eine ernüchternde Bilanz: Die Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten haben sich nicht maßgeblich verbessert. Durch den zunehmenden Personalmangel hat sich die Lage sogar verschärft. Bei einem Treffen mit Bundestagsabgeordneten von CSU und Bündnis 90/Die Grünen im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin (am 12. Oktober 2022) warben Vertreter vom Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ deshalb erneut für bessere Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten – und reisten mit Rückenwind zurück.

„Wir sind der Einladung von Paul Lehrieder zu einem Pflegegespräch in Berlin sehr gerne gefolgt“, sagte Krankenhausdirektor Karsten Eck von der Klinik König-Ludwig-Haus, „denn die bisherigen Reaktionen aus dem Bundesgesundheitsministerium waren schlichtweg enttäuschend.“ So hätte das Ministerium in schriftlichen Statements und persönlichen Gesprächen stets auf bereits eingeleitete Maßnahmen wie die Pflegestärkungsgesetze oder die aktualisierte Pflegepersonalregelung verwiesen, die allesamt nur Tropfen auf den heißen Stein seien.

Viel Verständnis für den Frust der 28 Organisationen, die sich vor zwei Jahren zum Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ zusammengeschlossen und wöchentlich demonstriert haben, zeigten dagegen die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Paul Lehrieder, Emmi Zeulner und Anja Weisgerber. Aber auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche gestand ein, dass es Verbesserungsvorschläge aus dem Wahlprogramm ihrer Partei nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hätten.

Karsten Eck, Krankenhausdirektor vom König-Ludwig-Haus, und Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital Würzburg, vor dem Reichstagsgebäude.
Das Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ ist in Berlin angekommen: Karsten Eck, Krankenhausdirektor vom König-Ludwig-Haus, und Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital Würzburg, vor dem Reichstagsgebäude. Foto: Thomas Kandert

35-Stunden-Woche – realistisch oder nicht?

Dazu gehört die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich – ein Punkt, den das Aktionsbündnis ganz oben auf seiner Forderungsliste an die Politik stehen hat und über den bei dem Pflegegespräch kontrovers diskutiert wurde. „Wir brauchen ein klares Signal für Nachwuchskräfte und vor allem an unsere Beschäftigten, dass sie mit ihren Hilferufen endlich ernst genommen werden“, machte Walter Herberth deutlich und ergänzte: „Das geht nicht von heute auf morgen, aber mit der Perspektive auf drei oder fünf Jahre.“ Als Beleg dafür, wie groß die Enttäuschung mittlerweile ist, las der Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital Würzburg aus einem Kündigungsschreiben eines Mitarbeiters vor. Der Pfleger sehe einfach keine Perspektive mehr in seinem Beruf.

Mit Blick auf die vielen Überstunden in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen konnte sich Emmi Zeulner nicht vorstellen, dass die 35-Stunden-Woche ein Versprechen sei, dass die Politik auch halten könne. Sie selbst ist Gesundheits- und Krankenpflegerin und hatte bereits bei einem Expert*innen-Hearing des Aktionsbündnisses in der Würzburger Posthalle kurz vor der Bundestagswahl 2021 teilgenommen. Der Personalmangel führe jetzt schon dazu, dass immer wieder Fachkräfte an Wochenenden oder freien Tagen für erkrankte Kolleginnen und Kollegen einspringen müssen. Ungeklärt sei auch, wie die zusätzlichen Stellen finanziert werden sollten, gab Paul Lehrieder zu bedenken.

Verbot von Gewinnabschöpfungen und Leiharbeit

Eine Möglichkeit, mehr Geld im System zu halten, sieht das Aktionsbündnis darin, die Auszahlung von Gewinnen aus Gesundheits- und Pflegeleistungen an Aktionäre zu verbieten. Auch gemeinnützige und öffentlich-rechtliche Träger müssen wirtschaftlich handeln. Im Gegensatz zu privaten Großkonzernen reinvestieren sie aber langfristig alle Überschüsse in Personal, Infrastruktur und Gebäude.

Ein weiteres Problem, das zu enormen Kostensteigerungen und viel Unmut bei den Beschäftigten untereinander führe, sei die Leiharbeit. Pflegekräfte, die über Zeitarbeitsfirmen angestellt sind, verdienen mehr und haben regelmäßigere Arbeitszeiten. Viele fest angestellte Fachkräfte wechseln deshalb in die Zeitarbeit. Die Einrichtungen leihen sie zu deutlich höheren Arbeitgeberkosten wieder aus, um Stationen nicht schließen zu müssen. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich deshalb einig, dass ein Verbot der Leiharbeit in der Pflege und eine Erhöhung der Sonderzulagen für Wochenend-, Feiertags- und Nachtschichten eine deutliche Verbesserung bewirkt würde.

Aktionsbündnis will nicht lockerlassen

Mit dem Versprechen im Gepäck, dass die fränkischen CSU-Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg nach Lösungen suchen und mit dem Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ im Dialog bleiben werden, reisten die Einrichtungsvertreter mit Rückenwind zurück nach Würzburg. „Auch wenn es noch ein weiter Weg ist, sind wir nach dem Austausch heute wieder etwas zuversichtlicher, dass unsere Demonstrationen und die vielen Gespräche mit Politiker*innen unterschiedlicher Parteien und Ebenen doch noch Wirkung zeigen“, zog Karsten Eck Resümee. Walter Herberth ergänzte: „Wir müssen einfach dranbleiben – es bleibt uns auch nichts Anderes übrig, wenn wir nicht vor noch mehr leeren Betten in den Krankenhäusern und Einrichtungen stehen möchten.“

Nach dem Pflegegespräch im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin (v. l.): Emmi Zeulner, CSU-Bundestagsabgeordnete; Thomas Kandert, Blindeninstitutsstiftung; Karsten Eck, Klinik König-Ludwig-Haus; Jessica Ott, Leopoldina-Krankenhaus; Walter Herberth, Stiftung Juliusspital Würzburg; Paul Lehrieder, CSU-Bundestagsabgeordneter;
Nach dem Pflegegespräch im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin (v. l.): Emmi Zeulner, CSU-Bundestagsabgeordnete; Thomas Kandert, Blindeninstitutsstiftung; Karsten Eck, Klinik König-Ludwig-Haus; Jessica Ott, Leopoldina-Krankenhaus; Walter Herberth, Stiftung Juliusspital Würzburg; Paul Lehrieder, CSU-Bundestagsabgeordneter; Foto: Michelle Loncar

Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

Herrn Bundesminister für Gesundheit
Prof. Dr. Karl Lauterbach
Bundesministerium für Gesundheit
11055 Berlin

Würzburg, 9. Februar 2022

Offener Brief
Verbesserung der Rahmenbedingungen in den helfenden Berufen

Sehr geehrter Herr Professor Lauterbach,

wir wünschen Ihnen zunächst viel Kraft und eine glückliche Hand für die weitere Bewältigung der Corona-Pandemie.

Zugleich haben wir das dringende Anliegen, die Situation der helfenden Berufe in den Fokus zu nehmen und umgehend die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen anzugehen.

Seit 15. September 2020 setzen wir uns vom Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ hierfür ein.
Wir, das sind 28 frei-gemeinnützige und öffentliche Organisationen in Würzburg, München, Nürnberg und Amberg mit rd. 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ein Jahr lang standen wir bis zur Bundestagswahl im September 2021 jeden Dienstag eine halbe Stunde in Stille auf der Straße und präsentierten unsere Vorschläge und Forderungen.

Jetzt müssen wir feststellen: Alle scheinen zu wissen worum es geht, aber nichts passiert.

Worauf warten Sie?

Die Erkenntnisse über die Fehlentwicklungen nach Jahren der Ökonomisierung im Gesundheitswesen liegen auf der Hand. Die Systeme wurden vom Gebot der Daseinsvorsorge auf das Prinzip der Wirtschaftlichkeit umgestellt.

Und das war falsch!

Die Konsequenzen spüren wir jetzt. Nach dem Grundsatz, dass auch die Feuerwehr nicht nur im Ernstfall bezahlt wird, müssen wir wieder zurück zum primär humanitären Ansatz bei der Behandlung und Betreuung kranker, alter und behinderter Menschen kommen. Das wird nur gelingen, wenn wir die Systeme umstellen.

Was muss eigentlich noch passieren?

Noch offenkundiger geworden sind die seit Jahren existierenden Probleme durch Corona.
Das kleine Virus hat die systemischen Defizite gnadenlos offengelegt. Die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) im Jahr 2018 hat viele Dinge beim Namen genannt, aber nichts Grundsätzliches geändert.

Warum handeln die politisch Verantwortlichen auch jetzt nicht?

Die humanitäre Katastrophe im Gesundheits- und Pflegebereich in Deutschland ist
bereits da und wird sich weiter verschlimmern!

Als Beispiel seien die vielen nicht belegbaren Pflegeplätze genannt, die dringend gebraucht werden, aber mangels Personal nicht zur Verfügung stehen.

Wenn diese Entwicklung aufgehalten und eine weitere Zuspitzung verhindert werden soll, müssen Sie jetzt ehrlich zu den Bürgerinnen und Bürgern sein und handeln.

Wenn Sie nichts ändern, werden bei zunehmender Anzahl älterer und alter Menschen und zugleich sinkender Beschäftigtenzahl Patienten und Pflegebedürftige in Zukunft noch weniger in gewohnter Weise betreut werden können. Auch die immer weiterwachsende Anspruchshaltung der Angehörigen wird nicht mehr erfüllbar sein.

Das Mindeste was wir jetzt brauchen, ist eine ehrliche Debatte in der Politik, wie es um die Pflege in Deutschland wirklich steht.

Und dann müssen Taten folgen, um Schlagzeilen wie folgende zu vermeiden:

„Abgemagerte Bewohner, verzweifeltes Personal, profitgierige Konzerne:

Nicht erst seit Beginn der Pandemie herrscht in Deutschlands Altenheimen der Notstand.

Über den Irrsinn im System – und die Frage, wie wir in einer vergreisenden Gesellschaft würdevoll zusammenleben können.“ (SZ v. 22./23. Januar 2022)

Unsere Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen fügen wir bei. Für Gespräche und Erfahrungsberichte aus der Praxis stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Näheres zu unserem Bündnis können Sie unserer Homepage entnehmen: www.dienst-tag.de

Handeln Sie jetzt!

Mit freundlichen Grüßen

Annette Noffz, Ltd. Stiftungsdirektorin, Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist
Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor, Stiftung Juliusspital Würzburg
Karsten Eck, Krankenhausdirektor, Klinik König-Ludwig-Haus
Johannes Spielmann, Vorstand, Blindeninstitutsstiftung
   

Aktionsbündnis fordert in offenem Brief Rückkehr zum Prinzip der Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen und in der Pflege

In einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach macht das bayerische Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ auf den akuten Notstand im Gesundheitswesen, der Pflege und der Behindertenhilfe aufmerksam. Nur eine ehrliche Debatte und schnelles Handeln der politisch Verantwortlichen könnten einer humanitären Katastrophe in Deutschland noch entgegenwirken. Konkret fordern die 28 gemeinnützigen Einrichtungen des bayerischen Aktionsbündnisses eine grundlegende Finanzierungsreform des Gesundheits- und Pflegesystems: weg vom Leitprinzip der Wirtschaftlichkeit zurück zur Daseinsvorsorge.

In über 80 Demonstrationen sind Beschäftigte der Behindertenhilfe, der Pflege und des Gesundheitswesens in den zwölf Monaten vor der Bundestagswahl 2021 auf die Straße gegangen. Als Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ machten sie in Würzburg, München, Nürnberg und Amberg immer dienstags auf die schlechten Rahmenbedingungen in ihrer Branche aufmerksam. Sie forderten beispielsweise eine 35-Stunden-Woche, mehr Personal und weniger Bürokratie.

Pflegenotstand bereits Alltag

Jetzt – über vier Monate nach der Bundestagswahl – prangern die beteiligten Einrichtungen in dem offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister an, dass immer noch nichts passiert ist, obwohl den politisch Verantwortlichen die Problematik schon lange bestens bekannt sei. Nicht erst die Corona-Pandemie habe den Personalnotstand aufgezeigt. Weil Fachkräfte fehlten, könnten auch viele Pflegebedürftige nicht mehr aufgenommen werden.

Revolution des Gesundheits- und Pflegesystems

„So wie bisher darf und kann es nicht weitergehen – es braucht eine Revolution unseres Gesundheits- und Pflegesystems, keine halbherzigen Nachbesserungen“, begründen Annette Noffz (Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist), Walter Herberth (Stiftung Juliusspital Würzburg), Karsten Eck (Klinik König-Ludwig-Haus) und Johannes Spielmann (Blindeninstitutsstiftung) den Entschluss, den offenen Brief stellvertretend für das Aktionsbündnis zu verfassen. Dafür sei eine ehrliche politische Debatte darüber nötig, wie es um die Pflege in Deutschland wirklich stehe.

Fehlanreize durch Gewinnorientierung

Für viele Fehlentwicklungen in der Pflege und dem Gesundheitswesen machen die Verfasser des offenen Briefes die zunehmende Ökonomisierung in den vergangenen Jahren verantwortlich. Sie fordern eine Rückkehr zum Prinzip der Daseinsvorsorge, die als erstes den Menschen in den Blick nimmt. Die Feuerwehr werde auch nicht nur bezahlt, wenn es brennt.

„Einfühlsame Pflege und gute medizinische Versorgung kosten Geld“, stellen die Unterzeichnenden klar, „doch im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Konzernen, die Gewinne ausschütten, bleibt das Geld bei Einrichtungen unter gemeinnütziger und öffentlicher Trägerschaft im System und kommt den kranken, pflegebedürftigen oder behinderten Menschen zugute.“

Positionspapier als Gesprächsgrundlage

Neben dem Verbot, Gewinne durch Gesundheits- und Sozialleistungen zu erzielen und auszuschütten, hat das Aktionsbündnis „Dienst-Tag für Menschen“ weitere konkrete Verbesserungsvorschläge in einem Positionspapier veröffentlicht (www.dienst-tag.de/positionspapier). Darin fordert es unter anderem, die helfenden Berufe durch bessere Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen und Bürokratie abzubauen. Das Positionspapier liegt dem offenen Brief bei, ebenso wie ein Gesprächsangebot an den Bundesgesundheitsminister.

Den offenen Brief finden Sie unter: www.dienst-tag.de/offener-brief

Resümee “Dienst-Tag für Menschen” am Münchner Rotkreuzplatz

Zum 25. Mal vor der Bundestagswahl 2021 haben wir uns am 21. September zur Aktion „Dienst-Tag für Menschen“ in München-Neuhausen auf dem Rotkreuzplatz versammelt. Seit Ende März haben wir die Politik Woche für Woche mit unserer stummen Demonstration auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass es dauerhaft bessere Rahmenbedingungen in der Pflege geben muss. Die wichtigsten Forderungen, die wir mit unseren Mitstreitern aus Würzburg, Amberg und Nürnberg teilen, können Sie komprimiert über folgenden Link einsehen: https://dienst-tag.de/positionspapier-fuer-bessere-rahmenbedingungen-in-pflege-gesundheitswesen-und-behindertenhilfe/

Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in Würzburg, Nürnberg und Amberg haben wir viel erreicht, vieles bleibt noch zu tun. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, die wöchentlichen Demonstrationen zwar vorerst zu beenden, unser Engagement als „Dienst-Tag für Menschen“ jedoch fortzusetzen und auf die politischen Entscheidungsträger*innen zu konzentrieren:

  • In den nächsten Wochen werden wir den gewählten Bundestagsabgeordneten aus Bayern als Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ ein Gratulationsschreiben mit unserem Positionspapier zukommen lassen.
  • Sobald die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind und klar ist, welche Mitglieder des neu zusammengesetzten Deutschen Bundestages in den für uns relevanten Ausschüssen (Gesundheit, Arbeit und Soziales) tätig sein werden, werden wir diese kontaktieren und in den Austausch treten.

Sollten wir zu einem späteren Zeitpunkt die Demonstrationen wieder aufnehmen oder andere Aktionen in die Wege leiten, werden wir Sie selbstverständlich informieren und dazu einladen.

Nach nahezu sechs Monaten wöchentlicher Kundgebung möchte ich mich in meiner Funktion als Generaloberin der Schwesternschaft München nochmals persönlich bei den zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bedanken, die uns so engagiert unterstützt haben. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an jede Einzelne und jeden Einzelnen! Sie alle haben deutlich gemacht, wie wichtig Ihnen eine professionelle Pflege innerhalb unserer Gesellschaft ist, wie die nachfolgenden Aussagen zeigen:

Auch in der Corona-Pandemie haben die Beschäftigten im Pflegebereich durch ihr vorbildliches Engagement erheblich dazu beigetragen, dass so vielen Menschen geholfen werden konnte. Aber durch Dankesworte lassen sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht verbessern. Es bedarf nachhaltiger Veränderungen. Eckpunkte hierfür habe ich vorgelegt.

Klaus Holetschek, Staatsminister im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (Foto: Mitte)

Pflegekräfte sind einfach essentiell für die Gesundheitsversorgung im Krankenhaus. Ohne sie kann der Klinikalltag nicht funktionieren.

Alexandra Zottmann, Geschäftsführerin Kliniken der Schwesternschaft München (Foto: links)

Nicht nur eine gute Bezahlung, sondern auch genug Zeit sind für eine befriedigende Arbeit wichtig. Und davon haben Pflegekräfte eindeutig zu wenig.

Karola Brüning, Leiterin Kaufmännische Abteilung Schwesternschaft München (Foto: rechts)

Sich für die Professionalisierung der Pflege einzusetzen heißt, nicht locker zu lassen. Das haben wir in den letzten sechs Monaten deutlich gesehen; und ich bin sehr froh, dass es sie gibt, die engagierten Kolleginnen und Kollegen. Unser berufspolitisches Engagement zu bündeln und auf die Straße und im Gespräch zu den Bürgerinnen und Bürgern zu bringen, das ist uns wirklich gut gelungen. Jetzt braucht es ein deutliches Zeichen der Politik und der neuen Regierung, entsprechende Weichenstellungen für verbesserte Rahmenbedingungen zu vollziehen.

Pascale Hilberger-Kirlum, Referentin der Vorstandsvorsitzenden der Schwesternschaft München, Stabsstelle Pflegepolitik (Foto: rechts)

Es bedarf vorrangig der flächendeckenden Etablierung von Pflegekammern in Deutschland. Die Pflege braucht dringend eine sichtbare Lobby, um damit Entlastung im Gesundheitswesen zu schaffen.

Tanja Groh, Krankenhausdirektorin Rotkreuzklinikum München (Foto: 4.von links) 

Wir brauchen eine adäquatere Finanzierung des Gesundheitssektors, um die Pflege zu entlasten. Ansonsten wird das System überstrapaziert, das kann auf die Dauer nicht funktionieren.

Prof. Dr. Wolfgang Thasler, Chefarzt Chirurgie, Rotkreuzklinikum München (Foto: links)

Angehende Pflegefachkräfte benötigen in der heutigen Zeit insbesondere Anleitung, um ihre Kompetenzen für die Pflege von Menschen zu entwickeln. Dafür wünsche ich mir und der Gesellschaft, dass sich Arbeitsbedingungen, insbesondere der Stellenschlüssel für Pflegefachkräfte und die damit verbundene Zeit für eine gute Ausbildung, verbessern.

Margit Schmid, Schulleiterin Berufsfachschule München (Foto: links)

Wir müssen aber auch selbst etwas tun. Nur wenn wir selbst mitplanen und mitgestalten, können wir Dinge so verbessern, wie wir sie uns vorstellen.
Cornelia Ring, Pflegefachkraft und Case-Managerin Sozialdienst, Rotkreuzklinikum München (Foto: links)

Der Einsatz von Pflegekräften verdient meinen allergrößten Respekt. Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die Voraussetzungen für eine bessere Bezahlung, attraktivere Arbeitsbedingungen und mehr Personal geschaffen werden.

Gerda Hasselfeldt, Präsidentin Deutsches Rotes Kreuz (Foto: rechts)

Ich erlebe immer wieder, dass wir Betten wegen Personalmangel sperren müssen. Wenn sich die Politik nicht um die Attraktivität unserer Profession annimmt, wird sich die Situation immer mehr zuspitzen.

Irmgard Burger, Belegungsmanagement Rotkreuzklinikum München Frauenklinik

Pflegekräfte haben eine große Verantwortung und verdienen mehr als warme Worte. Es ist Aufgabe der Politik die Grundlagen und Voraussetzungen für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Pflege sicherstellen.

Margarete Bause, MdB Bündnis 90/ Die Grünen (Foto: 1. von links)

Die pflegerische Fachexpertise ist im interdisziplinären Zusammenspiel unverzichtbar. Ohne Pflege ist keine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung möglich. Es ist wichtig, dass wir hier Woche für Woche alle gemeinsam stehen und uns mit den politisch Verantwortlichen und Bürgerinnen und Bürgern austauschen. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit an den entscheidenden Stellen etwas erreichen – ganz herzlichen Dank für Ihre Einsätze und Ihr Engagement.

Generaloberin Edith Dürr, Vorstandsvorsitzende der Schwesternschaft München (Foto: 2. von links)

Die Demos enden – die Forderungen bleiben

Nach 80 Demos sieht das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ nun die Politik in der Verantwortung

Über 80 Mal sind Beschäftigte der Behindertenhilfe, der Pflege und des Gesundheitswesens in den letzten zwölf Monaten auf die Straße gegangen. Unter dem Motto „Dienst-Tag für Menschen“ machten sie in Würzburg, München, Nürnberg und Amberg auf untragbare Missstände aufmerksam. Sie forderten beispielsweise eine 35-Stunden-Woche, mehr Personal und weniger Bürokratie. Jetzt ist die Politik an der Reihe, entschlossen zu handeln. Nach den Bundestagswahlen wird es deshalb keine weiteren Demonstrationen geben. Sein Engagement für die helfenden Berufe will das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“, dem 28 gemeinnützige Organisationen angehören, aber fortsetzen.

Als sich vor über einem Jahr am 15. September 2020 zum ersten Mal rund 50 Demonstrierende am Unteren Markt in Würzburg versammelten, um für bessere Bedingungen in der Pflege, dem Gesundheitswesen und der Behindertenhilfe zu werben, war der Applaus für Pflegekräfte während der ersten Welle der Corona-Pandemie bereits verhallt. Deutlich wie nie zuvor war der immense Druck sichtbar geworden, der auf unserem Pflege- und Gesundheitssystem lastet und sich vor allem im Personalnotstand ausdrückt: Intensivbetten waren nicht besetzt worden, weil Pflegekräfte fehlten.

„So kann es nicht weitergehen“

Mehr als 20 gemeinnützige Organisationen aus Würzburg und der Umgebung hatten sich nach dem Rückgang der Infektionszahlen im Sommer 2020 innerhalb weniger Wochen zum Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ zusammengeschlossen, weitere folgten. „Es war höchste Zeit, das klare Signal auszusenden: So kann es nicht weitergehen“, erinnert sich Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor der Stiftung Juliusspital Würzburg zurück. Zusammen mit Annette Noffz, Leitende Stiftungsdirektorin der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist, und Johannes Spielmann, Vorstand der Blindeninstitutsstiftung, hatte er deshalb mit der Idee zu wöchentlichen Demonstrationen schnell Mitstreiterinnen und Mitstreiter anderer Kliniken, Pflege- und Behinderteneinrichtungen gefunden.

„Über Würzburg hinaus sichtbar sein“

Der ersten Demonstration folgten jeden Dienstag weitere Kundgebungen in der Juliuspromenade, bis der zweite Lockdown im Dezember das Bündnis zu einer dreimonatigen Winterpause bewegte. Mit neuer Kraft und Unterstützung aus der bayerischen Landeshauptstadt ging es im März 2021 weiter. „Wir wollten über Würzburg hinaus sichtbar sein und haben uns sehr gefreut, dass sich auf Initiative der Vorsitzenden des Bayerischen Landespflegerates Generaloberin Edith Dürr die Schwesternschaften vom Bayerischen Roten Kreuz in München, später auch in Nürnberg und Amberg unserer Aktion angeschlossen haben“, resümiert Annette Noffz. Schnell stand fest, dass die Demonstrationen bis zur Bundestagswahl fortgeführt werden.

„Große Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg“

Parallel zu den Kundgebungen suchte das „Dienst-Tag“-Bündnis den Austausch mit Abgeordneten der großen demokratischen Parteien, dem Bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek und der Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm, aber auch mit der Gewerkschaft verdi, dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern und dem Würzburger Bischof Dr. Franz Jung. „In den Gesprächen haben wir gemerkt, dass es zwar über die Parteigrenzen hinweg große Zustimmung zu unseren Forderungen gibt, bei manchen Punkten aber auch deutliche Zurückhaltung
oder Widerspruch“, sagt Johannes Spielmann.

Differenzen bei der Forderung nach der 35-Stunden-Woche

Um diese Unterschiede vor der Bundestagswahl auch einem größeren Publikum aufzuzeigen, lud das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ am 14. September 2021 die Bundestagsabgeordneten Martina Stamm-Fibich (SPD), Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen), Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) und Emmi Zeulner (CSU) zu einer Diskussionsrunde in die Würzburger Posthalle ein. Während sich die Gesundheitsexpertinnen und -experten darin einig waren, dass Dokumentationspflichten verringert, mehr Personal für die helfenden Berufe gewonnen und eine ordentliche Bezahlung ermöglicht werden muss, offenbarte vor allem die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich konträre Positionen.

Positionspapier: Keine Dividende durch Gesundheits- und Sozialleistungen

Am Ende der Diskussionsrunde vor 120 Gästen erhielten die Abgeordneten das Positionspapier mit den konkreten Forderungen des „Dienst-Tag“-Bündnisses als Vorlage für die anstehenden Koalitionsverhandlungen. Darin findet sich neben den bereits genannten auch die Forderung, dass Gewinne durch Gesundheits- und Sozialleistungen in den Organisationen verbleiben sollen und nicht in Form von Dividenden an Aktionäre oder Unternehmenseigner ausgezahlt werden dürfen.

„Es braucht keine Reform, sondern eine Revolution!“

Nach über 80 Kundgebungen in Würzburg, München, Nürnberg, Amberg versammelten sich am Dienstag vor den Bundestagswahlen zum letzten Mal Beschäftigte aus den teilnehmenden Organisationen zum Demonstrieren. „Unsere Mitarbeitenden haben in den letzten zwölf Monaten mehr als deutlich gemacht, wie ernst die Lage ist“, finden Annette Noffz, Walter Herberth und Johannes Spielmann. „Wir haben Lösungsvorschläge formuliert: Jetzt sehen wir die neu gewählten Bundestagsabgeordneten in der Pflicht, ihren Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. Es braucht keine Reform des Gesundheits- und Pflegesystems, sondern eine Revolution!“

Engagement fokussiert sich auf politisch Verantwortliche

Sein Engagement wird das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ zukünftig auf andere Art und Weise fortsetzen: Die neu gewählten Bundestagsabgeordneten in Unterfranken werden ein Gratulationsschreiben mit dem Positionspapier erhalten und später sollen die Mitglieder der Gesundheits‑, Arbeits- und Sozialausschüsse des zukünftigen Bundestages kontaktiert werden. Spätestens in einem Jahr will das Bündnis auch Martina Stamm-Fibich, Dr. Manuela Rottmann, Prof. Dr. Andrew Ullmann und Emmi Zeulner wieder treffen, um Bilanz zu ziehen, was sich bis dahin verbessert hat. Doch auch für die Würzburger Bevölkerung soll die Aktion „Dienst-Tag für Menschen“ weiterhin sichtbar bleiben: Jeden Dienstag werden deshalb die Banner mit den Forderungen des Bündnisses an der Fassade des Juliusspitals aushängen. Sollten sich keine spürbaren Verbesserungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, der Pflege und der Behindertenhilfe abzeichnen, behält sich das Bündnis zudem vor, wieder auf die Straße zu gehen.

Der gute Wille ist da – jetzt braucht es Rückhalt

Nach einer Diskussion mit Gesundheitsexperten in Würzburg zieht das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ Bilanz

„Wahl 2021: Wir entscheiden über die Zukunft der Pflege“ – unter diesem Titel diskutierten Gesundheitsexpertinnen und -experten von Bündnis 90/Die Grünen, CSU, FDP und SPD am 14. September 2021 in der Würzburger Posthalle. In einem Punkt zeigten sich alle einig mit der Forderung des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“: Die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in helfenden Berufen müssen sich verbessern. Vor allem die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zeigte aber deutliche Unterschiede in der Positionierung der Bundestagsabgeordneten auf. Das „Dienst-Tag“-Bündnis zieht eine überwiegend positive Bilanz.

Stellten sich vor der Diskussionsrunde am Abend für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege mit auf die Straße: Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen), Barbara Stamm (Landtagspräsidentin a. D.), Emmi Zeulner (CSU) zwischen Walter Herberth (Stiftung Juliusspital Würzburg) und Johannes Spielmann (Blindeninstitutsstiftung)

Als „Nerds der Politik“ bezeichnete Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) gleich zu Beginn der Diskussionsrunde sich und seine Kolleginnen Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen), Emmi Zeulner (CSU) und Martina Stamm-Fibich (SPD). Alle vier setzen sie sich als Abgeordnete im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages täglich mit gesundheitspolitischen Fragen auseinander und kennen die Probleme der Branche.

Sie wissen auch, dass es dem Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“, dem 28 Organisationen aus Würzburg, München, Amberg und Nürnberg angehören und das seit einem Jahr für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert, ernst ist, wenn es vor einer möglichen „humanitären Katastrophe in der Pflege“ warnt.

Vor 120 Gästen diskutierten Gesundheitsexpertinnen und -experten über die Zukunft der Pflege (auf der Bühne v. l.: Annette Noffz, Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist; Martina Stamm-Fibich, SPD; Emmi Zeulner, CSU; Prof. Dr. Andrew Ullmann, FDP; Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen; Andrea Czygan, Main-Post; Walter Herberth, Stiftung Juliusspital Würzburg)

Für grundlegenden Systemwechsel und mehr Personal

Vor 120 Gästen in der Würzburger Posthalle stimmten die vier Abgeordneten deshalb vielen Forderungen des „Dienst-Tag“-Bündnisses zu, die Moderatorin Andrea Czygan (Main-Post) zur Diskussion stellte: Dokumentationspflichten verringern, mehr Personal für die helfenden Berufe gewinnen und eine ordentliche Bezahlung ermöglichen.

Einig waren sie sich auch darin, dass es einen grundlegenden Systemwechsel in der Gesundheits- und Pflegebranche brauche. Schluss müsse sein mit der Zeit der „Rosinenpickerei“: So sollten private Unternehmen nicht mehr die Möglichkeit haben, sich auf besonders lukrative Gesundheits- und Pflegeleistungen zu spezialisieren und die defizitären Bereiche wie beispielsweise Entbindungsstationen kommunalen oder gemeinnützigen Trägern zu überlassen.

Die Bundestagsabgeordneten waren sich in vielen Punkten einig (v. l.): Martina Stamm-Fibich, SPD; Emmi Zeulner, CSU; Prof. Dr. Andrew Ullmann, FDP; Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen

Unterschiedliche Positionen zur 35-Stunden-Woche

Unterschiedliche Positionen wurden dagegen beispielsweise bei der Forderung nach einer 35-Studen-Woche deutlich. Während Martina Stamm-Fibich (SPD) daran erinnerte, dass die 35 Stunden in der Metallindustrie nach langem Kampf schon lange Realität seien, aber um Geduld warb, wollte Emmi Zeulner (CSU) angesichts des demografischen Wandels nicht versprechen, dass die Forderung in Koalitionsverhandlungen Aussicht auf Erfolg haben werde. 

Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP) sah in einer politischen Vorgabe der Arbeitszeit die Tarifautonomie gefährdet und sprach sich gegen eine Bevorzugung einer bestimmten Berufsgruppe aus. Dagegen forderte Dr. Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) nicht nur politische Unterstützung der Träger bei der Refinanzierung einer 35-Stunden-Woche, sondern kritisierte auch deutlich die „Organisation“, die kein Interesse daran habe, dass sich etwas ändere.

Barbara Stamm für mehr Zuständigkeiten für die Politik

Dieser Kritik an der Macht der Kranken- und Pflegekassen schloss sich Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm an, die die Moderatorin Andrea Czygan als Interviewgast in die Diskussion einband. Sie berichtete von Koalitionsverhandlungen in ihrer Zeit als Gesundheits- und Sozialpolitikerin, in denen am Abend schon beschlossen worden war, den Medizinischen Dienst zu einem eingetragenen Verein oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts umzuwandeln. „Über Nacht war die Lobby unterwegs gewesen“, so Stamm, „am Morgen war das vorbei.“ Die Politik müsse wieder mehr an Zuständigkeiten zurückholen, forderte sie.

Forderte die Politik auf, wieder mehr Zuständigkeiten in der Pflege zurückzuholen: Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm im Interview mit Andrea Czygan (Main-Post).

Positionspapier als Vorlage für Koalitionsverhandlugen

Am Ende der Veranstaltung überreichten Annette Noffz (Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist), Walter Herberth (Stiftung Juliusspital Würzburg), Karsten Eck (Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus) und Johannes Spielmann (Blindeninstitutsstiftung) das Positionspapier des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ an die vier Bundestagsabgeordneten. In welcher Konstellation auch immer die nächste Bundesregierung sich zusammensetze, für die anstehenden Koalitionsverhandlungen solle das Positionspapier „ganz, ganz klare Sätze“ liefern.

Johannes Spielmann empfahl dem Publikum auch, einen Blick in die Wahlprogramme der Parteien zu werfen, da diese größere Unterschiede im Bereich der Pflege- und Gesundheitspolitik offenbarten, als dies in der Diskussion deutlich geworden sei. In zwölf Monaten wolle das Bündnis nach Berlin fahren, um sich mit den vier Bundestagsabgeordneten darüber zu unterhalten, welche der Forderungen verwirklicht worden sind und welche auf dem Weg sind.

Zum Abschluss überreichte das Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ den Abgeordneten Mappen mit seinem Positionspapier (v. l.: Walter Herberth, Stiftung Juliusspital Würzburg; Martina Stamm-Fibich, SPD; Karsten Eck, Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus; Emmi Zeulner, CSU; Prof. Dr. Andrew Ullmann, FDP; Annette Noffz, Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist; Johannes Spielmann, Blindeninstitutsstiftung; Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen; Andrea Czygan, Main-Post)

Bilanz: Der gute Wille allein reicht nicht

Das „Dienst-Tag“-Bündnis zieht nach der Diskussionsrunde der Gesundheitsexpertinnen und -experten in der Posthalle eine überwiegend positive Bilanz. Fest steht: Es darf nicht bei schönen Worten bleiben und die Verantwortung wie seit vielen Jahrzehnten im Kreis herumgeschoben werden. Die Interessensvertretung der Pflege- und Gesundheitsberufe muss deutlich stärker als bisher in die politische Willens- und Entscheidungsbildung eingebunden werden – das gebietet die Wertschätzung und der Respekt vor den jeweiligen Berufsgruppen.

Auf der anderen Seite zeigte die Veranstaltung auch: Unter den Gesundheitsexpertinnen und -experten der vertretenen Parteien ist der Wille groß, die Rahmenbedingungen in der Pflege, der Behindertenhilfe und dem Gesundheitswesen zu verbessern. Allein fraglich bleibt, wie viel Platz gesundheitspolitische Themen in voraussichtlich langwierigen Koalitionsverhandlungen und wie viel Rückhalt sie in ihren Parteien finden werden.

Um ihnen – in welcher Parteien-Konstellation auch immer – den Rücken zu stärken, wird das Bündnis sicher auch über die Bundestagswahl am 26. September 2021 hinaus sein Engagement fortsetzen und spätestens in einem Jahr noch einmal Bilanz ziehen.