Die bayerische Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach hat Vertreterinnen und Vertreter des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ getroffen. Im Würzburger Caritashaus tauschte sich die Politikerin mit ihnen am Montag, 11. März 2024, zu Herausforderungen und Lösungsansätzen im Pflegebereich aus.
Mit einem herzlichen „Grüß Gott“ hieß Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Caritasverbands für die Diözese Würzburg (DiCV), Bayerns Ministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention in der Bündnisrunde willkommen. Der Chef der unterfränkischen Caritas brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass Judith Gerlach gekommen war, um den Pflegeprofis zuzuhören. Er hoffe, dass sie die Botschaft der Bündnisvertreterinnen und -vertreter mitnehmen werde, um auf politischer Ebene für eine weitere Verbesserung der Pflege zu sorgen, so Bieber.
Die Ministerin machte sich im anschließenden Gespräch mit dem Bündnis für bessere Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen stark, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Sie sagte: „Die Betreuung und Versorgung von kranken und pflegebedürftigen Menschen ist eines der drängendsten Themen des 21. Jahrhunderts. Der Pflegebereich leidet schon heute enorm unter dem Fachkräftemangel. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es immer wichtiger, Menschen für die Pflege zu gewinnen und auch dauerhaft im Beruf zu halten. Zur Bewältigung dieser Herausforderung müssen alle Akteure ihren Teil beitragen.“
„Perspektiven aus der Praxis“
In einer kurzen Vorstellungsrunde betonte Gerlach zunächst ihre eigene Motivation für das Thema Pflege, wobei künftig verstärkt auch Prävention eine Rolle spielen müsse. Sie machte deutlich, dass es keine schnellen Lösungen geben könne. Es gehe darum ein „konstruktives Gesamtpaket“ zu entwickeln. Die Politikerin erläuterte: „Es gibt viele Baustellen, bei denen vor allem auch Einrichtungsträger in der Pflicht sind. Ich denke vor allem an verlässliche Arbeitszeiten und eine gute Bezahlung, aber auch weniger Bürokratie etwa durch mehr Digitalisierung. Die Staatsregierung unterstützt diese Themen wo sie kann, zum Beispiel mit dem Abbau von Bürokratie durch ein Modellprojekt in Krankenhäusern und durch ein Modellprojekt für den Einsatz von Springerkräften in der Langzeitpflege. Auch fördern wir derzeit ein Projekt zur Etablierung von innovativen, partizipativ erstellten Dienstplänen.“ Sie selbst habe vor wenigen Wochen ein Pflegepraktikum absolviert, erzählte Gerlach. Das Treffen mit dem Bündnis sei für sie eine weitere Möglichkeit „Perspektiven aus der Praxis“ mitzunehmen, wofür sie dankbar sei.
Im Anschluss gaben die drei Initiatoren des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ der Ministerin einen Überblick über den nach der ersten Coronawelle 2020 entstandenen Zusammenschluss und seine Ziele. Wie Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor und Leiter der Stiftung Juliusspital Würzburg, erläuterte, gehören dem Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ rund 20 Organisationen an, vorrangig aus dem Würzburger Raum. Nachdem man 2020 und 2021 etwa ein Jahr lang mit stillen Demonstrationen auf den Pflegenotstand aufmerksam gemacht habe, habe man die Demos mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen. Seither setze man sich vor allem durch Gesprächsführung weiter für bessere Bedingungen in der Pflege ein. Eine Forderung sei etwa wieder den Menschen, und nicht die Ökonomie, in den Mittelpunkt zu stellen.
Kampagne „Ohne uns wird es zappenduster“
„Mit der Zeit haben sich auch Frustrationen eingeschlichen“, gestand der Vorstand der Blindeninstitutsstiftung Würzburg, Johannes Spielmann. Man müsse sich fragen lassen, was sich verändert habe. Als Bündnis wolle man vor allem auch die Gesellschaft ansprechen, habe sich dabei aber gegen weitere Demonstrationen entschieden. Vor Kurzem hat das Bündnis daher die Kampagne „Ohne uns wird es zappenduster“ gestartet. Sie wird vor allem online betrieben – etwa auf den Social-Media-Kanälen der beteiligten Organisationen –, macht aber auch mit großflächigen Plakaten im Würzburger Stadtbild auf den Pflegenotstand aufmerksam.
Annette Noffz, Direktorin der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist Würzburg, und die dritte Initiatorin in der Runde betonte, dass es ihrer Meinung nach zentral sei, das Bild der Pflege in der Öffentlichkeit zu verbessern und das Misstrauen abzubauen, das dem Pflegebereich gegenüber oft herrsche. So sei man in einem Pflegeheim durchaus ohne die seit einer Weile vorgeschriebene Präqualifizierung fähig, die korrekten Pflegehilfsmittel für Bewohnerinnen und Bewohner zu beschaffen, meinte Noffz. Sonja Schwab, Leiterin der Abteilung Soziale Dienste im DiCV, erläuterte, dass die vorgeschriebenen externen Kontrollen von Pflegeheimen mitunter als „Überfallkommando“ wahrgenommen würden.
Fachkräftemangel
In diesem Zusammenhang machte der Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, Georg Sperrle, darauf aufmerksam, dass die starke Bürokratisierung in Deutschland auch Auswirkungen auf die Gewinnung internationaler Pflegefachkräfte habe. Sie sei mit hohen Hürden verbunden. Dabei stelle der zunehmende Fachkräftemangel die Häuser vor immer größere Herausforderungen. So stehen, Sperrle zufolge, aktuell in einer der von ihm geführten Einrichtungen von eigentlich 94 Pflegeplätzen 18 nicht zur Verfügung.
Laut DiCV-Vorsitzendem Bieber steigt der Bedarf an Pflegeplätzen derzeit massiv, während gleichzeitig mehr und mehr Plätze nicht belegt werden können, weil Fachkräfte – selbst in städtischen Gebieten – fehlen. Dahinter stünden dann auch immer Einzelschicksale, gab Geschäftsführer Sperrle zu bedenken. Er thematisierte zudem den Punkt Bezahlbarkeit der Pflege und erläuterte, dass die gestiegenen Baukosten viele Einrichtungen vor Probleme stellten.
Dankbar für Themenzurufe
Während des Treffens machte sich Ministerin Gerlach immer wieder Notizen und fragte zu verschiedenen Punkten aktiv nach. So diskutierte die Runde etwa über die externe Überprüfung von Einrichtungen und zu Fördermöglichkeiten. Am Ende betonte die Landespolitikerin, dass sie weiterhin für Themenzurufe dankbar sei. Im Namen des Bündnisses „Dienst-Tag für Menschen“ überreichte Domkapitular Bieber der Ministerin ein Bronzebildnis des Künstlers Egino Weinert mit dem Titel „Kranke trösten“. Bieber gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es die Ministerin in ihrem Arbeitsalltag daran erinnern möge, dass auch diejenigen, die Pflege organisieren, mitunter Pflege benötigten.
Anna-Lena Herbert | Caritas