Herrn Bundesminister für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach Bundesministerium für Gesundheit 11055 Berlin |
Würzburg, 9. Februar 2022
Offener Brief
Verbesserung der Rahmenbedingungen in den helfenden Berufen
Sehr geehrter Herr Professor Lauterbach,
wir wünschen Ihnen zunächst viel Kraft und eine glückliche Hand für die weitere Bewältigung der Corona-Pandemie.
Zugleich haben wir das dringende Anliegen, die Situation der helfenden Berufe in den Fokus zu nehmen und umgehend die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen anzugehen.
Seit 15. September 2020 setzen wir uns vom Bündnis „Dienst-Tag für Menschen“ hierfür ein.
Wir, das sind 28 frei-gemeinnützige und öffentliche Organisationen in Würzburg, München, Nürnberg und Amberg mit rd. 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Ein Jahr lang standen wir bis zur Bundestagswahl im September 2021 jeden Dienstag eine halbe Stunde in Stille auf der Straße und präsentierten unsere Vorschläge und Forderungen.
Jetzt müssen wir feststellen: Alle scheinen zu wissen worum es geht, aber nichts passiert.
Worauf warten Sie?
Die Erkenntnisse über die Fehlentwicklungen nach Jahren der Ökonomisierung im Gesundheitswesen liegen auf der Hand. Die Systeme wurden vom Gebot der Daseinsvorsorge auf das Prinzip der Wirtschaftlichkeit umgestellt.
Und das war falsch!
Die Konsequenzen spüren wir jetzt. Nach dem Grundsatz, dass auch die Feuerwehr nicht nur im Ernstfall bezahlt wird, müssen wir wieder zurück zum primär humanitären Ansatz bei der Behandlung und Betreuung kranker, alter und behinderter Menschen kommen. Das wird nur gelingen, wenn wir die Systeme umstellen.
Was muss eigentlich noch passieren?
Noch offenkundiger geworden sind die seit Jahren existierenden Probleme durch Corona.
Das kleine Virus hat die systemischen Defizite gnadenlos offengelegt. Die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) im Jahr 2018 hat viele Dinge beim Namen genannt, aber nichts Grundsätzliches geändert.
Warum handeln die politisch Verantwortlichen auch jetzt nicht?
Die humanitäre Katastrophe im Gesundheits- und Pflegebereich in Deutschland ist
bereits da und wird sich weiter verschlimmern!
Als Beispiel seien die vielen nicht belegbaren Pflegeplätze genannt, die dringend gebraucht werden, aber mangels Personal nicht zur Verfügung stehen.
Wenn diese Entwicklung aufgehalten und eine weitere Zuspitzung verhindert werden soll, müssen Sie jetzt ehrlich zu den Bürgerinnen und Bürgern sein und handeln.
Wenn Sie nichts ändern, werden bei zunehmender Anzahl älterer und alter Menschen und zugleich sinkender Beschäftigtenzahl Patienten und Pflegebedürftige in Zukunft noch weniger in gewohnter Weise betreut werden können. Auch die immer weiterwachsende Anspruchshaltung der Angehörigen wird nicht mehr erfüllbar sein.
Das Mindeste was wir jetzt brauchen, ist eine ehrliche Debatte in der Politik, wie es um die Pflege in Deutschland wirklich steht.
Und dann müssen Taten folgen, um Schlagzeilen wie folgende zu vermeiden:
„Abgemagerte Bewohner, verzweifeltes Personal, profitgierige Konzerne:
Nicht erst seit Beginn der Pandemie herrscht in Deutschlands Altenheimen der Notstand.
Über den Irrsinn im System – und die Frage, wie wir in einer vergreisenden Gesellschaft würdevoll zusammenleben können.“ (SZ v. 22./23. Januar 2022)
Unsere Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen fügen wir bei. Für Gespräche und Erfahrungsberichte aus der Praxis stehen wir jederzeit zur Verfügung.
Näheres zu unserem Bündnis können Sie unserer Homepage entnehmen: www.dienst-tag.de
Handeln Sie jetzt!
Mit freundlichen Grüßen
Annette Noffz, Ltd. Stiftungsdirektorin, Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist
Walter Herberth, Oberpflegamtsdirektor, Stiftung Juliusspital Würzburg
Karsten Eck, Krankenhausdirektor, Klinik König-Ludwig-Haus
Johannes Spielmann, Vorstand, Blindeninstitutsstiftung